Gegen das Vergessen: Wülfrath 1933 - 45
Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Er schaffte die junge Demokratie ab (Machtergreifung) und errichtete eine Diktatur. Jüdische Bürgerinnen und Bürger, Minderheiten und politisch Andersdenkende wurden verfolgt und getötet.
Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 entfesselte das nationalsozialistische Deutschland den Zweiten Weltkrieg, der mehr als 70 Millionen Menschenleben forderte. Das nationalsozialistische Regime und seine Verbündeten ermordeten in der Zeit von 1933 bis 1945 mehr als 18 Millionen Menschen, davon sechs Millionen jüdische Menschen, in ganz Europa.
Die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 war das offizielle Signal zum größten Völkermord und ist als Reichspogromnacht in die dunkelste Geschichte Deutschlands eingegangen. In dieser Nacht offenbarten die Nationalsozialisten ihre wirtschaftlichen und politischen Ziele und trugen ihren Judenhass auf grausame Weise zur Schau.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurden in ganz Deutschland aus angesehenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern Feinde – auch in Wülfrath.
In Wülfrath erinnert ein Gedenkstein an das Menschheitsverbrechen der NS-Diktatur. Fünf Stolpersteine erinnern als Teil der Erinnerungskultur an Einzelschicksale. Der ausländischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wird mit zwei Gedenktafeln gedacht. Auf dem Kommunalfriedhof werden die NS-Kriegsopfer geehrt.
Fünf Stolpersteine erinnern an verfolgte Wülfratherinnen und Wülfrather
Am 27.02.2008 wurde in Wülfrath der erste Stolperstein verlegt. Er erinnert an das Schicksal von Johanna Beyth.
Stolpersteine sind kleine, mit einer beschrifteten, goldfarbenen Messingplatte versehene Gedenksteine. Sie sind knapp 10 x 10 cm groß. Sie erinnern namentlich und individuell an Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben, in den Suizid getrieben, deportiert oder ermordet worden sind. Insgesamt wurden bereits über 100.000 solcher Gedenksteine in 31 europäischen Ländern verlegt.
Seit dem 20. Februar 2017 erinnern in Wülfrath vier weitere Stolpersteine an die Schicksale von Eugen Raucamp und Wilhelm Everts, die aufgrund eines „Rundfunkverbrechens“ inhaftiert wurden, sowie an das Ehepaar Heinrich und Maria Dreier, die der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas angehörten. Diese Religionsgemeinschaft gehörte zu der ersten Verfolgtengruppe der Nazi-Herrschaft. Dem Ehepaar Dreier wurde Staatsfeindlichkeit vorgeworfen.
Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus
Seit dem 8. Mai 1985 erinnert in Wülfrath ein Gedenkstein an die Opfer des Nationalsozialismus. Das NS-Regime verfolgte aus ideologischen Gründen verschiedene Gruppen. Die Juden waren jedoch die Hauptzielgruppe für systematische Verfolgung und den Massenmord durch die Nationalsozialisten. Zu den Opfern staatlicher Gewalt und Willkür zählten auch Menschen, die aus politischen, rassistischen, sozialen Gründen, aus Gründen ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung oder ihrer Behinderung verfolgt wurden. Viele von ihnen kamen zu Tode, erlitten schwere gesundheitliche Schäden oder verloren ihr Hab und Gut.
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Wülfrath
Seit dem 27. Januar 2023 erinnern zwei Gedenktafeln an die mindestens 137 im Zweiten Weltkrieg in Wülfrath ums Leben gekommenen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Die Tafeln befinden sich am Zeittunnel und am WIR-Haus in der Wilhelmstraße 189 als ehemaliger Sitz der NSDAP-Ortsgruppe.
Der Text lautet:
1940-1945 starben in Wülfrath mindestens 137 ausländische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter durch grenzenlose Ausbeutung, Unterernährung, mangelnde Hygiene, schlechte Gesundheitsversorgung, rassistische Unterdrückung und Naziterror.
Ihr Schicksal soll uns heute noch erinnern, erschüttern und ermahnen, die Menschlichkeit nie zu vergessen, die Menschenwürde zu schützen und für Völkerverständigung einzutreten.
Es folgen die Namen der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Ausführliche Informationen zu diesen Menschen stellt der Kreis Mettmann zur Verfügung: Kreislexikon Zwangsarbeit in Wülfrath.
Der Aufstellung dieser Gedenktafeln ging ein gemeinsamer Antrag aller im Rat vertretenen Fraktionen voraus.
Ziel dieser Initiative - die von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) angeregt wurde - ist es, das Geschehen in Wülfrath öffentlich zu dokumentieren und für die Bürgerinnen und Bürger sichtbar zu machen.
Mit der Erinnerung an die Opfer sollen die Verbrechen des Nationalsozialismus auch im Bewusstsein kommender Generationen wachgehalten und die Dimension nationalsozialistischer Verbrechen – die auch in Wülfrath ihre Spuren hinterlassen haben – verdeutlicht werden.
Was bleibt sind Erinnerungen
Bei der Verhaftung nahmen die Nazis ihren Opfern alle persönlichen Gegenstände ab. Ob Kleidung, Papiere, Schmuck, Uhren oder Erinnerungsfotos. Nichts aus ihrer Vergangenheit durften die Inhaftierten behalten. Den Opfern blieb nur die Erinnerung, die sie im Geiste und ihrem Herzen bewahren konnten. Alle ihre persönlichen Sachen wurden von den Nationalsozialisten fein säuberlich erfasst, den Opfern zugeordnet und wenn diese in ein anderes Lager überführt wurden, wurden auch diese persönlichen Gegenstände mit verschickt. Tausende dieser Effekte (persönliche Gegenstände) haben die Lager "überdauert".
Wer wissen möchte, welche Bedeutung diese Gegenstände für die Familien haben und welche Schicksale sich hinter den Funden verbergen, erfährt dies auf der Seite der Arolsen Archives.
#StolenMemory hat sich zur Aufgabe gemacht, Angehörige der NS-Opfer ausfindig zu machen und ihnen Erinnerungsstücke zurückzugeben.
Die Arolsen Archives – International Center on Nazi Persecution – sind das internationale Zentrum über NS-Verfolgung mit dem weltweit größten Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Organisation hat ihren Sitz in Bad Arolsen (Hessen) und war bis zum 20. Mai 2019 unter dem Namen Internationaler Suchdienst (International Tracing Services; IST) bekannt. Die umfangreiche Sammlung des Archives beinhaltet Informationen zu rund 17,5 Millionen Menschen und zählt seit 2013 zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Mit den Dokumenten zu den verschiedenen Opfergruppen des NS- Regimes, zur Zwangsarbeit sowie zu Displaced Persons und Migration nach 1945 leisten die Arolsen Archives einen wertvollen Beitrag gegen das Vergessen und zur Aufarbeitung der NS-Zeit.
Noch heute beantworten die Arolsen-Archives jährlich Anfragen zu rund 20.000 NS-Verfolgten und tragen so weiterhin zur Aufklärung vieler Schicksale bei.